«Nebst der Behandlung einzelner Tiere wird die Betreuung ganzer Herden in der Wiederkäuermedizin zunehmend wichtiger.»
Wiederkäuermedizin
Zur besseren Verständlichkeit wird in der männlichen Form geschrieben, die weibliche ist darin berücksichtigt.
Berufsbild der Tierärztin / des Tierarztes in der Praxis für Wiederkäuer
Kühe, Rinder, Kälber, Schafe, Ziegen sowie Neuweltkameliden sind unsere Patienten. Bei den als Nutztiere gehaltenen Tieren steht die Wirtschaftlichkeit der getroffenen Massnahmen oft im Vordergrund, während bei den züchterisch wertvollen oder mehr zum Hobby gehaltenen Tieren auch aufwändige Eingriffe vorgenommen werden müssen. Oft entscheidet sich gar ein Tierhalter auch bei geringen Erfolgschancen zur Überweisung an ein Tierspital oder in eine Spezialklinik, dies manchmal auch nur wegen der ideellen Bindung an ein bestimmtes Tier.
Vorbeugende Behandlungen (Impfprogramme, Parasitenbekämpfung) treten immer mehr in den Vordergrund der tierärztlichen Praxis. Da Störungen durch nicht tiergerechte Haltungsbedingungen, Probleme in der Melktechnik, ungenügendes Betriebsmanagement und nicht leistungskonforme Fütterung gehäuft auftreten, gewinnt die umfassende Beratung des Tierhalters durch den Tierarzt nach und nach an Gewicht. Dies bedingt, dass sich der Tierarzt ein breites Fachwissen über Fütterung, Haltung, Tierzucht, Melktechnik etc. aneignen muss, ermöglicht aber auch wertvolle Kontakte zu den jeweiligen Spezialisten aus den betreffenden Sachgebieten. Um in den betreffenden Sachgebieten mithalten zu können, ist es eine Selbstverständlichkeit für jeden Veterinär, sich stets weiterzubilden.
Auf der Nutztierpraxis fährt der Tierarzt in der Regel auf den Hof zu den Tieren, dies bei jedem Wetter und auch in der Nacht. Die heilenden Eingriffe an kranken Tieren (Einzel- oder Gruppentherapie) stellen nach wie vor den Grossteil der Arbeit der Rindviehpraxis dar. Das Schwergewicht der Tätigkeit liegt bei den erwachsenen Tieren auf der Behandlung von Eutererkrankungen, Verdauungs-, Fruchtbarkeits- und Stoffwechselstörungen sowie Schwergeburten, bei Jungtieren mehr auf der Bekämpfung von Durchfall, Nabelinfektionen, Lungenentzündungen und Parasitenbefall. Der Tierarzt, der nur Rindvieh alleine behandelt, ist eher selten. Fast alle Praktiker im Nutztierbereich befassen sich mit Tieren verschiedener Gattungen.
Vor allem in der Rindviehpraxis wird bei der integrierten tierärztlichen Bestandesbetreuung (ITB) der Landwirtschaftsbetrieb gemäss einer Vereinbarung zwischen Tierhalter und Tierarzt regelmässig besucht. Dabei wird der Betrieb ganzheitlich in den Bereichen Fruchtbarkeit, Eutergesundheit, Jungtieraufzucht, Mast etc. überwacht. So unterstützt der Tierarzt den Produzenten nachhaltig bei der konsumentengerechten Produktion von Lebensmitteln tierischer Herkunft. Tierarzt wie Produzent sind zusammen Garant für gesunde und hygienisch einwandfreie Lebensmittel. Voraussetzung dafür ist ein partnerschaftliches, kooperatives Verhältnis zum Tierbesitzer, welches er sich durch seine Fachkompetenz und sein Einfühlungsvermögen in Mensch und Tier erarbeitet.
Einen Teil seiner Tätigkeit nehmen biotechnische Verrichtungen an gesunden Tieren in Anspruch (Besamung, Kastration, Enthornung etc.). Daneben arbeitet er mit Gesundheitsdiensten wie RGD (Rindergesundheitsdienst) und BGK (Beratungs- und Gesundheitsdienst für Kleinwiederkäuer) zusammen und übernimmt staatliche Aufgaben im Rahmen der Tierseuchenbekämpfung, des Tierschutzes und der Fleischkontrolle.
Nach 5 Jahren Studium und dem Abschluss mit dem Staatsexamen durchläuft der zukünftige Nutztierarzt üblicherweise ein paar Jahre als Assistent in TA-Praxen, TA-Kliniken oder an einem Tierspital. Wer sich für die Praktikerlaufbahn entschliesst, kann als Inhaber einer Einzelpraxis in Form des Einzelkämpfers, mit oder ohne Assistenten, wirken oder sich aber einer Gruppenpraxis anschliessen, was nebst der interdisziplinären Zusammenarbeit besonders in Bezug auf das Privatleben und die Freizeitgestaltung grosse Vorteile in sich birgt.
Grundsätzlich hat jeder Tierarzt die Pflicht, alle seine Tätigkeiten zu dokumentieren. Dadurch ist bei irgendwelchen Fragen die Rückverfolgbarkeit gesichert. Deswegen verbringt der Nutztierpraktiker einen nicht unwesentlichen Teil seines Tages am Schreibtisch oder Computer.
Voraussetzung für die innere Zufriedenheit ist sicher eine enorme Flexibilität, denn es erwartet einen selten ein geregelter Arbeitsablauf, insbesondere im Notfall- und Nachtdienst.
Im täglichen, häufig auch unfallträchtigen Umgang mit den zum Teil eher wilden Tieren (Mutterkuhhaltung, Neuweltkameliden) braucht es manchmal schon Ueberwindung, denn es wird auch Kraft, Mut, Geschick und oft unsägliche Geduld abverlangt. Aber gerade diese aussergewöhnlichen Dienstleistungen machen den Tierarztberuf zu etwas Einmaligem.
Wer wissenschaftlich interessiert ist, kann sich einer Dissertation widmen und den Doktortitel (Dr.med.vet.) erreichen. Eine höhere Weiterbildungsstufe des „Landpraktikers" im genannten Fachbereich ist der auf Schweizer Ebene mögliche „Fachtierarzt FVH für Wiederkäuer" (FVH steht für „federatio veterinariorum helveticorum", weitere Details dazu siehe Reglement SVW-FVH).
Auf europäischer Ebene kann der Titel eines DECBHM (Diplomate oft the European College of Bovine Helath Managament) angestrebt werden.
Der sog. Nutztierarztberuf bietet sehr viel Abwechslung, eine alltägliche Vielfalt an bereichernden Erfahrungen und Erlebnissen im tierischen wie auch im zwischenmenschlichen Bereich, erfordert aber auch Ausdauer in physischen wie psychischen Belangen. Nur ein wahrer Menschenfreund kann sich hier vollkommen wohlfühlen und daran wachsen. Ein grosses Weiterbildungsangebot macht diesen Beruf interessant und zusätzlich attraktiv.